Baulast Wegerecht freimachen - Amtsgericht Solingen 14 C 6

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Klaus
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Baulast Wegerecht freimachen - Amtsgericht Solingen 14 C 6

Beitrag von Klaus »

Streitwert: €Tenor:

Die Beklagten werden verurteilt, gegenüber der Stadt - Bauaufsichtsbehörde – die öffentlich-rechtliche Verpflich-tung zu übernehmen, auf ihrem Grundstück Gemarkung , Flur, Flurstück, eingetragen im Grundbuch des Amtsge-richts von , Blatt , die in dem dem Urteil beigefügten Lage-plan grün eingezeichnete Fläche von baulichen Anlagen und sonstigen Hindernissen freizuhalten und auf dieser Fläche die Zufahrt bzw. den Zugang zum Flurstück des Klägers, Flur , Flurstück zu gestatten (Geh- und Fahr-recht).

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten aufer-legt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in (Gemarkung , Flur , Flurstück ). Die Beklagten sind Eigentümer des Nachbargrundstücks (Gemarkung , Flur , Flurstück ). Das Grundstück der Beklagten ist ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut. Auf dem Grundstück befinden sich darüber hinaus Garagen.
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Zwischen den Wohnhäusern, die auf den Grundstücken stehen, befindet sich ein Weg, der parallel zur Grenze der beiden Grundstücke verläuft. Der Weg verbindet die rückwärtigen Bereiche der Grundstücke mit der straße. Der Weg liegt überwiegend auf dem Grundstück der Beklagten, teilweise aber auch auf dem Grundstück des Klägers.
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Die Grundstücke der Parteien bildeten ursprünglich einen zusammengehörenden Grundbesitz. wurde der Grundbesitz im Rahmen einer Erbauseinandersetzung geteilt. Die jeweiligen Eigentümer der neu entstandenen Grundstücke bewilligten sich wechselseitig ein Durchfahrtsrecht. Dementsprechend wurde am gemäß einer Bewilligung vom im Grundbuch zulasten des heute dem Beklagten gehörenden Grundstücks eine Grunddienstbarkeit eingetragen. Die Eintragung hat folgenden Wortlaut:
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Grunddienstbarkeit, eine Durchfahrt betreffend, für den jeweiligen
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Eigentümer des Grundstücks Flur Nr. gemäß Bewilligung
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vom – eingetragen am , ... .
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Bei dem Grundstück Flur Nr. handelt es sich um den Grundbesitz des Klägers. Die Flurbezeichnung wurde später geändert.
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Der Kläger beabsichtigt, im rückwärtigen Bereich seines Grundstücks einen Carport mit Satteldach zu errichten. Hierzu benötigt er die Übernahme einer Baulast durch die Beklagten. Die Beklagten verweigern die Übernahme der Baulast. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten seien zur Übernahme der Baulast verpflichtet; es sei davon auszugehen, dass bereits bei Bewilligung des Durchfahrtsrechtes auch eine spätere Bebauung des hinteren Grundstücksbereichs mit einer Garage oder einem Carport hätte ermöglicht werden sollen; das errichtete Haus sei bei Bewilligung des Durchfahrtsrechtes ein reines Mehrfamilienhaus gewesen; der von ihm geplante Carport sei genehmigungsfähig; die Genehmigung hänge allein von der Baulastübernahme durch die Beklagten ab.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, gegenüber der Stadt - Bauaufsichtsbehörde – die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu übernehmen, auf ihrem Grundstück Gemarkung , Flur , Flurstück , eingetragen im Grundbuch von Bl. , die im Lageplan Anlage 1 zur Klage grün eingezeichnete Fläche von baulichen Anlagen und sonstigen Hindernissen freizuhalten und auf dieser Fläche die Zufahrt bzw. den Zugang zum Flurstück des Klägers, Flur , Flurstück zu gestatten (Geh- und Fahrrecht).
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten tragen vor, sie seien nicht grundsätzlich gegen die Übernahme einer Baulast; sie lehnten eine Baulastübernahme jedoch ab, wenn der Carport an der Grundstücksgrenze errichtet werde; durch den Carport mit Satteldach werde ihr Grundstück in erheblicher Weise beeinträchtigt; der Abstand zwischen den Fenstern der Erdgeschosswohnung ihres Hauses und dem Carport werde in diesem Falle lediglich ca. 5 m betragen; zu einer Übernahme der Baulast seien sie nicht verpflichtet; das Durchfahrtsrecht habe nicht dazu gedient, eine künftige Bebauung zu ermöglichen; hierfür sei nichts ersichtlich; dem stehe nicht entgegen, dass auf ihrem eigenen Grundstück im hinteren Bereich eine Garagenanlage errichtet sei; diese Garagenanlage sei früher von der straße aus zu erreichen gewesen; dem Voreigentümer hätten weitere Grundstücke gehört, über die er über die straße aus zu den Garagen habe gelangen können. Die Beklagten bestreiten, dass der vom Kläger geplante Carport bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich zulässig ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet.
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1.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Übernahme der im Klageantrag genannten Baulast zu. Der Anspruch ergibt sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis, das zwischen den Parteien aufgrund der im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit besteht. Die Übernahme der Baulast ist Ausfluss der sich aus dem Schuldverhältnis ergebenden wechselseitigen Verpflichtungen.
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Eine Grunddienstbarkeit begründet die Verpflichtung zur Übernahme einer Baulast, wenn die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für eine Bebauung des berechtigten Grundstückes ist und eine Befreiung von der Baulast nicht in Betracht kommt, wenn darüber hinaus Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Grunddienstbarkeit entsprechen, die Grunddienstbarkeit dazu dient, das berechtigte Grundstück baulich zu nutzen, bei Bewilligung der Grunddienstbarkeit kein Anlass bestand, eine Baulast zu erwägen und die Übernahme der Baulast für den Eigentümer zumutbar ist (vgl. BGH NJW 1989, 1607; BGH NJW 1992 2885).
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Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
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a) Für die Errichtung des Carports ist die Erteilung der Baulast unstreitig erforderlich. Ohne die Baulast erhält der Kläger eine Baugenehmigung für sein Vorhaben nicht. Die Errichtung des Carports ist ohne Baugenehmigung nicht zulässig.
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b) Inhalt und Umfang der geforderten Baulast entsprechen dem grundbuchlich gesicherten Durchfahrtsrecht. Die Baulast, deren Übernahme der Kläger verlangt, begründet keine Pflichten, die über die sich bereits aus der Grunddienstbarkeit ergebenden Verpflichtungen hinaus gehen. Die Beklagten haben mit der geforderten Baulast gegenüber der Stadt lediglich die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu übernehmen, die Wegefläche, auf die sich auch die Grunddienstbarkeit bezieht, von baulichen Anlagen und sonstigen Hindernissen freizuhalten und die Zufahrt zum Grundstück des Klägers zu gestatten.
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c) Es ist weiter davon auszugehen, dass die bewilligte Grunddienstbarkeit der baulichen Nutzung des Grundstücks diente. Bei der Ermittlung des Zwecks einer Grunddienstbarkeit ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Grundbucheintragung und der dazu in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen. Daneben können jedoch auch Umstände außerhalb dieser Urkunde herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGH NJW RR 1992, 1484). Auch wenn im vorliegend zu entscheidenden Fall der Wortlaut der Grundbucheintragung den Zweck, eine spätere Bebauung zu ermöglichen, nicht eindeutig erkennen lässt, so ergibt sich eine solche Zweckbestimmung im Ergebnis aber aus den Umständen. Das Wegerecht wurde ersichtlich deshalb eingerichtet, weil den Eigentümern der Grundstücke ermöglicht werden sollte, die hinteren Bereiche ihrer Grundstücke zu erreichen. Gleichzeitig ist klargestellt, dass die Erreichbarkeit mit Fahrzeugen gemeint ist. Denn die Grunddienstbarkeit hat nicht nur ein Wegerecht, sondern ausdrücklich ein Durchfahrtsrecht zum Gegenstand. Hieraus ist zu folgern, dass mit der Grunddienstbarkeit die Möglichkeit geschaffen werden sollte, Fahrzeuge im hinteren Bereich des Grundstücks abzustellen. Ansonsten hätte es eines Durchfahrtsrechtes nicht bedurft. Das Haus des Klägers ist – soweit ersichtlich – immer nur als Wohnhaus benutzt worden. Das Wohnhaus selbst war von der Straße zugänglich. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welchen sonstigen Zweck ein Durchfahrtsrecht hätte haben sollen, wenn es nicht dazu diente, das Abstellen von Fahrzeugen im Hof zu ermöglichen. Wenn jedoch das Abstellen von Fahrzeugen ermöglicht werden sollte, so ist naheliegend, dass die Beteiligten bereits bei Bewilligung der Grunddienstbarkeit die Errichtung einer Garage, eines Schuppens oder einer sonstigen Anlage zum Unterstellen von Fahrzeugen in Betracht gezogen hatten. Da das Grundstück des Klägers bereits
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zu Wohnzwecken genutzt wurde, konnte sich durchaus ein Bedarf für entsprechende Unterstellmöglichkeiten ergeben. Zwar waren privat genutzte Kraftfahrzeuge noch eher selten. Es gab aber durchaus Privatpersonen, die sich ein eigenes Fahrzeug leisten konnten und deshalb Bedarf für eine Unterstellmöglichkeit hatten. Zudem war das Grundstück des Klägers für entsprechende bauliche Anlagen groß genug.
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Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, dass eine konkrete Anlage bei Bewilligung der Grunddienstbarkeit – soweit erkennbar – nicht geplant und über viele Jahrzehnte nicht verwirklicht worden war. Der Anspruch auf die Baulast setzt nicht voraus, dass die Beteiligten bei Bewilligung der Grunddienstbarkeit bereits ein konkretes Bauvorhaben ins Auge gefasst hatten. Es genügt, dass sie eine Zuwegung schaffen wollten, die alle zulässigen und zumindest im Bereich des möglichen liegenden Nutzungen des begünstigten Grundstücks sicherstellt (vgl. das vom Kläger zitierte Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28.04.2003 – Az.: 9 U 204/02).
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d) Die Eigentümer der Grundstücke hatten bei Bewilligung der Grunddienstbarkeit keinen Anlass, die Übernahme einer Baulast in Erwägung zu ziehen. Nach der damaligen Rechtslage war eine Baulast für die Bebauung nicht erforderlich.
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e) Schließlich ist die Bewilligung der Baulast für die Beklagten zumutbar. Durch die Bewilligung wird die Inanspruchnahme ihres Grundstücks nicht in einer nicht mehr hinnehmbaren Art und Weise erhöht. Wird der Carport errichtet, so hat dies nicht notwendig eine intensivere Nutzung des über ihr Grundstück führenden Weges zur Folge. Jedenfalls müssen die Beklagten keine wesentlich stärkere Inanspruchnahme ihres Grundstücks befürchten.
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Soweit sich die Beklagten durch den Anblick des Carport bzw. den von dem Carport geworfenen Schatten beeinträchtigt fühlen, rechtfertigt dies die Verweigerung der Baulast nicht. Die Beklagten müssen eine solche Beeinträchtigung hinnehmen, wenn das Bauvorhaben ansonsten bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich zulässig ist. Soweit nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen auf die Zumutbarkeit abgestellt wird, ist zu prüfen, inwieweit durch das geplante Bauvorhaben das mit der Grunddienstbarkeit belastete Grundstück in unzumutbarer Weise in Anspruch genommen wird. Unzumutbare Belastungen durch die zusätzliche Inanspruchnahme des den Beklagten gehörenden Grundstücks sind jedoch – wie dargestellt - nicht zu erwarten.
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f) Ohne Erfolg bestreiten die Beklagten die bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Carports. Der Kläger hat eine Bescheinigung der Stadt vom zur Akte gereicht, durch die die Genehmigungsfähigkeit des geplanten Bauvorhabens bestätigt wird. Umstände, die Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit des geplanten Bauvorhabens wecken, haben die Beklagten demgegenüber nicht vorgetragen.
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g) Nach alledem haben sie die geforderte Baulast zu übernehmen.
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2.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
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Streitwert: €
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